Dorfleben in Ghana: Die Geschichte einer ghanaischen Kultur

Dorfleben Ghana

*Gastartikel von Wibke von Sonnenstrahlenmomente

Wibke Sonnenstrahlenmomente

Hallo, ich bin Wibke, ein fernwehsüchtiges Mädchen, das ihr Herz irgendwo in Ghana zwischen Accra und den unzähligen Trotro-Fahrten durch das Land verloren hat.

 

Seit meiner ersten Reise in das westafrikanische Land und den vielen Aufenthalten, die danach folgten, wurde es für mich zur Heimat und die Faszination für den afrikanischen Kontinent und für Ghana im Speziellen wurden noch größer, sodass ich Ghana heute fast schon genau so gut kenne wie das Land, in dem ich fast dreißg Jahre gelebt habe. So wurde der Blog Sonnenstrahlenmomente ins Leben gerufen, auf dem ich dich mitnehmen möchte auf eine Reise in die einzigartige Welt Afrikas und zu vielen weiteren Sonnenstrahlenmomenten, mit denen ich dich verzaubern und inspirieren möchte. 

 


Talawanda. Das kleine Dorf in der Zentralregion Ghanas liegt da, wo die asphaltierte Straße aufhört. Talwanda hat sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Hier spricht man noch die Sprache des Waldes und des Flusses und lebt mit den Geistern der Vorfahren.

 

Das Dorf ist auf den ersten Blick nicht mehr als eine Ansammlung aus Lehm- und Wellblechhäusern. In den Lehmwänden sind dicke Löcher zu sehen, die Dächer sind meist strohbedeckt und Glas hat keines der Fenster.

 

Selbst die provisorische Schule des Dorfes hat keine Fenster. Sie besteht nur aus einem Wellblechdach, das von ein paar Pfählen gestützt wird. Türen, Mauern und Fenster gibt es keine. Alles ist von einer roten Sand- und Staubschicht überdeckt.

Dorf Ghana

 

Draußen unter einem Baobab-Baum sitzen drei Frauen in ihren farbenfrohen Kleidern. Eine trägt ein gelbes Kleid, auf dem Schlüssel in allen nur erdenklichen Farben zu sehen sind. Sie sitzen im Schatten des Baumes und stampfen ein Gemisch aus Cassava und Kochbananen zu Brei. Fufu.

 

Yaa, die an einem Donnerstag während der Regenzeit vor ungefähr 50 Jahren in Talawanda geboren wurde, erzählt lachend von ihren Begegnungen auf dem Weg zur Wasserstelle. Sie hatte heute Morgen ihre jüngste Tochter mitgenommen, da diese krank ist und nicht zur Schule gehen kann. Auf dem Weg gab ihr eine ältere Frau für die Tochter einen pure-water-Trinkwasserbeutel für die Kleine, die ihr Glück kaum fassen konnte. Noch nie hatte ihr jemand etwas geschenkt.

 

Aseda, die jüngste der Frauen unter dem Baobab-Baum berichtet von ihrem Tag auf dem Feld. In ein Kentetuch gewickelt trägt sie ihren Sohn auch während der Feldarbeit immer auf dem Rücken. Die Frauen finden das praktisch, da so die Kinder überall dabei sein können und schätzen diesen Teil der ghanaischen Kultur sehr. Schon sie wurden von ihren Müttern so überall mit hingenommen, genau so wie ihre Mütter von den Großmüttern.

 

Unweit des Baobab Baumes ist ein kleiner See. Am Ufer spielen ein paar Kinder Oware, andere spielen ein Klatsch- und Hüpfspiel. Blickt man auf den See, sieht man winzig klein schon die Fischerboote, die auf dem Weg zurück an Land sind. Viele leben hier vom Fischfang.

 

See Ghana

 

Ich halte Ausschau nach dem bunt bemalten Holzboot mit der Aufschrift Happiness eines alten Mannes. Auch all die anderen Holzboote sehen mit ihren Bemalungen oder den bunten Lettern darauf schön aus, aber das kleine Happiness-Boot gefällt mir am Besten. Vielleicht liegt es an den Geschichten, die der alte Mann immer zu erzählen hat. An den Geschichten vom Meer, an dem er als Kind gewohnt hat und den Geschichten von seiner Großmutter, der man nachsagt, dass sie besondere Kräfte hatte und den Regen heraufbeschwören konnte. Nicht umsonst war sie jahrelang die Queen Mother des Dorfes.

 

Einige Minuten später wird der kleine schwarze Fleck auf dem See größer und schon bald macht der alte Mann als einer der Ersten sein Holzboot am Ufer fest. Ich schaue ihm dabei zu, wie er seinen Fang begutachtet. Er gibt den größten und schönsten Fisch, den er heute gefangen hat, seinem ältesten Sohn, damit er ihn heute Abend kochen kann und den restlichen Fang seiner Frau zum Verkauf gibt. Was nun passiert ist jeden Nachmittag das Gleiche. Ich sitze auf der Bank und sobald er fertig ist, setzt er sich neben mich und beginnt zu erzählen. Heute erzählt er mir die Geschichte der Ghanaer und ihrer Kultur.

 

In dem Land, das früher einmal Goldküste genannt wurde, prägen mehr als 100 Völker mit unterschiedlichen Sprachen und Wurzeln den kulturellen Reichtum. So gibt es etliche verschiedene Volksgruppen, die in Stämme zusammen leben. Jede dieser Volksgruppen hat ihren eigenen Chief, also einen Dorfältesten, und eine Queen Mother.

 

Auch die Queen Mother ist sehr angesehen und mittlerweile haben die Chiefs und Queen Mothers sogar einen eigenen Sitz im ghanaischen Parlament haben. Frauen werden in Ghana immer mehr geachtet und immer mehr in wichtige Entscheidungen einbezogen. So spielt also auch die Queen Mother jedes Stammes eine wichtige Rolle. Sie übernehmen zusammen mit den Chiefs immer mehr die Entscheidungen über Rechtssprechungen oder auch traditionelle Riten und Bräuche.

 

Eine der größten Bevölkerungsgruppe sind die Akan. Eine ihrer schönen Traditionen, die noch heute ausgeübt wird, ist das Herstellen der so genannten Kentestoffe. Diese farbenfrohen Stoffe werden aus einer Mischung aus Seide und Baumwolle gewebt. Heute darf jeder diese Stoffe tragen, aber noch bis vor einigen Jahren waren die traditionellen Kentestoffe nur den Königen und Königinnen vorbehalten.

 

Neben der Stoffherstellung liegt die Verwendung der Adinkrasymbole ebenfalls tief in der ghanaischen Kultur verwurzelt. Diese Symbole findet man fast überall wieder. Auf Stühlen, an Häuserwänden, sie werden als Muster auf Trommeln eingeritzt und auch auf Holzschnitzereien und der Kleidung sind die Adinkrasymbole zu sehen.

 

Eines der bekanntesten Symbole ist Gye Nyame, was so viel bedeutet wie die Allmächtigkeit Gottes. Typisch für die Akan, aber auch für alle anderen Völkergruppen Ghanas, ist der Totemismus, denn viele Ghanaer sehen die Urahnen als Schutzgeister an. So ist es nicht verwunderlich, dass für die Vorfahren auch mal ein Huhn oder eine Ziege geköpft wird und man, bevor man etwas trinkt, immer auch etwas aus dem Glas auf den Boden schüttet, um so den Ahnen zu zeigen, dass sie immer noch Teil des Lebens sind.

 

Neben den Akan zählen die Ga, die Dagbane-Dagomba und die Ewe zu den größten kulturellen Gruppen des Landes. Etwas, das alle gemeinsam haben ist die Religion. Traditionell sind die Einheimischen sehr religiös und auch im Alltag spiegelt sich das wieder. Fährt man mit dem Trotro, einem der Kleibusse dort, durch Talawanda, sind auf der Heckscheibe oder auch neben am Fahrzeug Sprüche wie „In God we trust“ zu lesen. Auch die kleinen Frisörsalons oder Schneidereien, die es überall im Land gibt, tragen oft religiöse Namen. Manche heißen dann „Gye Nyame Hairdresser“ oder „The Lord is great Enterprise“.
In der ghanaischen Kultur spielt Musik ebenfalls eine große Rolle. Schon früher wurde die Kunst des Trommelns dazu genutzt, bei Beerdigungen, Hochzeiten oder auch im Krieg zur Begleitung der Kämpfer Botschaften an andere Dörfer oder Feinde auszusenden.
Auch heute noch ist das Trommeln fester Bestandteil des Dorflebens. Vor allem auch bei traditionellen Feiern kommen die Trommeln zum Einsatz. Zu ihrem Klang wird dann getanzt und gesungen. Da in Ghana viele Feste über mehrere Tage hinweg gefeiert werden, stehen solche Festtage im Zeichen des Durbars. Das bedeutet, dass zu dieser Zeit auch die Monarchen, also die Dorfältesten bzw Dorfkönige und Königinnen, im Dorf sind und sich in all ihrer Pracht zeigen. Erst vor Kurzem wurde in Talawanda eine Beerdigung gefeiert, die fünf Tage dauerte und auch unter dem Durbar stand.
Ghana ist ein Land, in dem Tradition und Moderne Hand in Hand nebeneinander existieren. In der ghanaischen Kultur finden sich so also viele afrikanische, europäische und auch arabische Einflüsse, was von der Bevölkerung als Bereicherung angesehen wird.
Dorf Ghana

 

Der alte Mann könnte noch stundenlang weiter erzählen und ich könnte ihm noch ewig zuhören. Aber es wird Zeit, den Fisch für das Abendessen vorzubereiten. Die drei Frauen unter dem Baobab Baum sind nun auch fertig mit dem Fufu und warten nur darauf, dass sie den Fisch hinzufügen können, sodass wir alle gemeinsam zu Abend essen können. Um uns, während es langsam Nacht wird, weitere Geschichten zu erzählen. 

 

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