Vorurteile über Kanada: Die Sicht einer Deutschen

Vorurteile Kanada

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Es ist an der Zeit, über Kanada zu schreiben. Wie genau ich dort gelandet bin, obwohl ich eigentlich einen Trip durch Südostasien geplant hatte, ist eine andere Geschichte. Jetzt bin ich schon über zwei Wochen zurück in Deutschland und

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Es ist an der Zeit, über Kanada zu schreiben. Warum? Weil ich mich unglaublich in dieses Land verliebt habe!

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Es ist an der Zeit, über Kanada zu schreiben. Ich habe diesen Artikel jetzt schon länger vor mir her geschoben, weil ich wusste, dass es sicher kein "10 Dinge die du in X tun solltest"- Artikel werden würde. 

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Es ist an der Zeit, über Kanada zu schreiben. Es fällt mir allerdings richtig schwer, einen Anfang zu machen. Ich weiß nicht wirklich, wo ich beginnen soll. Oder, worüber genau ich schreiben möchte. Es gibt so vieles, dass ich erzählen will. 

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Kanada Alberta Fluss Blumen Rocky Mountains Waldbrand Bäume

Das waren alle Anfänge, mit denen ich versucht habe, den Artikel zu beginnen. Wie du siehst, mein Kopf ist unentschlossen und durcheinander. Am Ende habe ich mich für folgenden Anfang entschieden:


Es ist an der Zeit, über Kanada zu schreiben. Dort draußen, in der Welt der Reisenden und Nichtreisenden, ist nicht viel bekannt über dieses Land. Nur einige Klischees und Vorurteile existieren:

  • Jeder ist übertrieben freundlich
  • Es ist immer kalt
  • Jeder liebt Eishockey
  • Jedes Gericht wird mit Ahornsirup serviert
  • Die Hauptstadt ist Vancouver oder Toronto
  • ....
Kanada Alberta Gletscherfluss Fluss Rocky Mountains Wald

Ich war für fast vier Wochen in Kanada. Um genau zu sein, ich war in Alberta, British Columbia und Saskatchewan. (Für die Leute, die - wie ich - nie irgendetwas über dieses Land gelernt haben: Das sind drei der zehn kanadischen Provinzen. Außerdem gibt es im Norden noch drei Territorien. Frag mich bitte nicht, worin der Unterschied zwischen Provinzen und Territorien liegt. Ich habe es auch nicht verstanden.) 

 

Während meiner Zeit dort lebte ich bei einer wunderbaren Familie, die ursprünglich aus Saskatchewan kommt. Ich verbrachte also einen Großteil meiner Zeit in dem kleinen Dörfchen Cheadle in der Nähe von Calgary. Und wenn ich klein sage, dann meine ich auch klein. Denn Cheadle besteht aus gerade mal 30 Häusern. (Ja, liebe Westeuropäer: Es gibt benannte Dörfer, die tatsächlich so klein sind.)

Kanada Alberta Calgary Cheadle Truck

 

Bevor ich jedoch nach Kanada kam, hatte ich tatsächlich keine Ahnung von diesem Land. Deswegen begann ich nach meiner Flugbuchung, mich darüber zu informieren. Zugegebenermaßen erst am Shanghaier Flughafen, hier hatte ich meinen ersten Zwischenstopp auf dem Weg nach Kanada. Das war vermutlich etwas spät. Auf diesem nicht so schönen Flughafen hatte ich nun also 16 Stunden Aufenthalt. Und Facebook, Instagram und sogar Google waren geblockt.

 

Wikipedia war allerdings verfügbar und so begann ich, zu lesen. Zum Beispiel lernte ich, dass Kanada das zweitgrößte Land der Welt ist (ich habe mich ziemlich geschämt, dass ich das nicht schon vorher gewusst habe), allerdings gerade mal ungefähr 35 Millionen Einwohner hat. Das sind circa 50 Millionen weniger als Deutschland.

 

Und dann - nach einem Flug nach Vancouver für eine weitere Zwischenlandung und noch einem kurzen Flug - kam ich in Calgary an. Und nach ein paar Tagen sah ich zum ersten Mal in meinem Leben die Rocky Mountains. Dieser Anblick hat mich tatsächlich zum Weinen gebracht. Jeder Reisende weiß, dass es immer wieder diese besonderen Momente gibt, in denen man absolute Ehrfurcht empfindet. Von diesen Momenten hatte ich viele in Kanada. Dieser war der erste. Die Berge waren unbeschreiblich schön und ich konnte nicht glaube, dass ich wirklich dort war.

Kanada Alberta Rocky Mountains

Wie auch immer, genug von der sentimentalen Ablenkung. In diesem Artikel wollte ich mich ja eigentlich mit den Vorurteilen beschäftigen, die über Kanada und die Kanadier existieren. Also, auf geht's!


Übertrieben freundlich

Als ich vor zwei Wochen nach Hause kam und von Kanada erzählte, kam immer wieder eine Frage auf: Sind die Kanadier tatsächlich überfreundlich? Und entschuldigen sie sich wirklich für alles, selbst wenn sie gar nichts dafür können? Ich persönlich kannte dieses Vorurteil nicht, bevor ich nach Kanada ging. Ich hatte auf meinen Reisen schon einige Kanadier getroffen: Einige waren sehr freundlich, andere eben... nicht so sehr. Ich hatte also keinerlei Erwartungen auf meinem Weg nach Kanada. 

 

Und dann kam ich an. Und, ja, dieses Klischee stimmt. Entschuldigt wird sich dort tatsächlich ständig. Aber ich denke, dass "übertrieben" das falsche Wort ist. Jeder Kanadier, den ich getroffen habe, war unglaublich freundlich. In "meiner" Familie wurde ich mit einer beispiellosen Wäre aufgenommen. Auch alle Tanten und Onkel, Cousins, Cousinen und Freunde, die ich kennen lernen durfte, waren so liebenswürdig und herzlich, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte.

Kanada Alberta Nationalpark Hütte Wald


Diese Freundlichkeit beschränkte sich allerdings nicht nur auf bekannte Gesichter. Ob Leute an der Kasse oder jemand, den man zufällig beim Wandern getroffen hat: Jeder war an einem netten Umgang interessiert und mehr als geneigt, eine kurze Unterhaltung zu führen. 

 

Alles in Allem muss ich sagen, dass ich die Mentalität der Kanadier geliebt habe. Und es ist definitiv mehr als oberflächliche Freundlichkeit, die einem hier entgegengebracht wird. Es ist echte Liebenswürdigkeit, die du hier erlebst. Ich würde sogar soweit gehen, dass die Kanadier die freundlichsten Leute sind, die ich bisher kennen lernen durfte. Damit haben sie sogar die Filippinos knapp übertroffen. 

 

Immer so kalt!

Ein weiteres großes Klischee: In Kanada ist es immer kalt. Und wieder muss ich - diesmal eher unglücklicherweise - zustimmen. Und obwohl ich mit kalten Temperaturen wirklich sehr empfindlich bin, kann ich guten Gewissens sagen: Es ist kalt! An einem Tag in den Rocky Mountains hat es sogar geschneit. Es war der erste September. Ein anderes Mal war ich an einem - für kanadische Verhältnisse - warmen sonnigen Sommertag für drei Minuten in einem Bergsee. Danach konnte ich für 10 Minuten nicht aufhören zu zittern.

Kanada British Columbia Silver Springs

 

Insgesamt schien es immer fünf bis 10 Grad kälter zu sein als in Deutschland. Und das, obwohl es dieses Jahr ein wirklich warmer Sommer gewesen sein sollte: Die Temperaturen gingen tatsächlich mal über 30 Grad!  Als ich von den 40 Grad erzählte, die wir dieses Jahr in Deutschland hatten, wussten sie nicht wirklich, was sie sagen sollten.

 

Der Winter muss unglaublich kalt sein! Bis runter auf Minus 30 oder sogar 40 Grad geht es wohl. Und ich spreche hier wiederum nur von den südlichen Teilen Kanadas. 

 

Als ich dort war, war mir fast ununterbrochen kalt. Einerseits lag das sicher daran, dass ich gerade aus Thailand kam. Fast die ganzen vergangenen sechs Monate hatte ich in tropischen Temperaturen verbracht. An unter 25 Grad war ich einfach nicht mehr gewöhnt. Campen in einem kleinen Zelt während es regnete war sicher auch nicht hilfreich. Glücklicherweise konnte ich mir viel warme Kleidung leihen. Außerdem hat dort fast jeder einen Kamin im Haus. Das kann ich nur allzu gut verstehen! 

 

Der Nationalsport Hockey

Eishockey

Diesbezüglich würde ich sagen, dass Hockey für die Kanadier ist wie Fußball für uns Deutsche: Es gibt einige, die die ganze Aufregung nicht verstehen. Und dann gibt es die, die jedes Mal ganz aus dem Häuschen geraten, wenn ein Spiel ihrer Mannschaft ansteht. Baseball und Canadian Football sind übrigens auch relativ groß in Kanada. So sehr zelebriert wie Icehockey werden sie allerdings nicht. (Außerdem sind sie bei Weitem nicht so cool!).

 

Die Sache mit dem Ahornsirup

Zu allererst muss ich sagen: Ahornsirup ist köstlich! Besonders das Original. Das es mit etwas anderem als Pancakes oder Waffeln serviert wurde, habe ich allerdings nicht gesehen. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass die Hauptproduktion im östlichen Teil des Landes ist. Dort scheint das etwas anders zu sein. Zumindest habe ich schon darüber gelesen, dass dort auch Kartoffeln mit Ahornsirup gegessen werden. Ich würde dazu freilich auch nicht nein sagen.

 

What else...

Was habe ich noch erlebt in diesem wunderbaren Land?

 

1. Die kanadische Natur ist unglaublich! Es sind nicht nur die atemberaubenden

    Rocky Mountains, die Gletscherseen- und -flüsse oder die gigantischen Wälder, die

    einfach so belassen werden wie sie sind.  Auch die wunderschönen, endlosen

    Felder in Alberta und die Vorgebirge in Saskatchewan haben mir den Atem

    geraubt. Und schon allein, um die Nordlichter dort zu sehen, möchte ich unbedingt     zurück!

Kanada Alberta See

 

2. Nach Hockey (und - ja - auch Curling!) scheint Campen ebenfalls eine Art

    Nationalsport zu sein. Viele Leute haben einen Pass  für die Nationalparks und es

    ist Teil ihrer Erholung, etwa einmal im Monat campen zu gehen. Mittlerweile kann

    ich das sehr gut verstehen. 

 

3. Kanadier scheinen sich des Klimawandels sehr bewusst zu sein. Das liegt

    vermutlich daran, dass sie dessen Folgen an ihren Gletschern so viel intensiver

    erleben als das in anderen Ländern der Fall ist. Auf der anderen Seite kommt

    trotzdem noch der Großteil des Geldes aus der Gasindustrie. Und zumindest auf

    dem Land fahren bestimmt 80 Prozent der Leute immer noch einen Truck. 

 

4. Du kannst viele Wildtiere sehen. Es gibt Elche und Wapitis, Dickhornschafe und

    Bergziegen. Wenn du besonders viel Glück hast (oder auch nicht), kannst du sogar

    Bären beobachten. Und natürlich gibt es Eichhörnchen, Streifenhörnchen und eine

    endlose Vielzahl an Vögeln.


Kanada Alberta Jasper Elch

 

5. Das Essen ist großartig! Leider allerdings auch nicht gerade gesund. Eine Art

    Nationalspeise ist zum Beispiel Poutine: Das sind Pommes mit Käse und

    Bratensauce. Die Konsequenz daraus ist, dass viele der Kanadier etwas dicker sind

    (und ich entschuldige mich auch gleich dafür, das gesagt zu haben. Meine deutsche

    Ehrlichkeit ist leider angeboren).

 

    Man kommt hier zwar auf keinen Fall an das typische Bild heran, das der Europäer

    von den Amerikanern hat. Kanadier sind also nicht wirklich dick. Aber die meisten

    Leute, die du triffst, sind zumindest kräftig. So viele schlanke Menschen wie ich es

    aus Europa gewöhnt bin habe ich jedenfalls nicht getroffen. Ich verstehe das

    natürlich absolut: Ich habe circa 4 kg zugenommen, in noch nicht mal einem

    Monat.

 

6. In Kanada darf man in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken. Es gibt auch keine

    alkoholischen Getränke im Supermarkt. Dafür existieren extra sogenannte    

    "liquor stores". Es ist noch nicht einmal legal, Alkohol im Fahrerhaus des Autos zu

    haben. Wenn du ihn transportieren willst, dann musst du alles in den Kofferraum

    packen. 

 

7. Die Städte-, Fluss- oder Straßennamen sind großartig. Neben Städtenamen wie

    Medicine Hat (Medizinhut), Whiskey Gap (Whiskeykluft) or Vulcan

    (Heimatplanet der Vulkanier, also unter anderem Spock) kann man zum Beispiel

    auch einen See mit dem Namen Goat Pond (Ziegenteich) finden, den Mosquito

    Creek (Mückenbach) oder den Crowsnest Pass (Krähennest-Pass). Mein Favorit

    bleibt allerdings immer noch der Highway Nr. 201 bei Calgary, genannt Stoney Trail

    (steiniger Pfad).

 

Vielleicht kannst du zwischen den Zeilen lesen, dass dieses wunderschöne Land einen großen Teil meines Herzens gestohlen hat. Ich hoffe, dass ich in Zukunft dorthin zurückkehren werde. Und ich hoffe, dass es nicht allzu kalt sein wird!

 

 

Oh, übrigens, solltest du dich gefragt haben, was denn nun die Hauptstadt von Kanada ist: Es ist ist Ottawa.


Edit: In ein paar Monaten, um genau zu sein Ende Januar 2015, geht es wieder zurück. Es wird also so richtig kalt werden! Allerdings erfülle ich mir dann hoffentlich auch einen meiner ganz großen Träume von meiner Löffelliste und sehe Nordlichter! Berichte sind definitiv zu erwarten!

 

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