Gedanken aus Guangzhou

Bin ich wirklich in China???

Die Schriftzeichen und die asiatischen Gesichter sprechen eindeutig dafür. Fassen kann ich es aber nicht.

Von oben aus dem Flugzeug sah (im Morgengrauen) noch alles fast aus wie zu Hause. Dann sind die ersten Häuser aufgetaucht. Braungraue Spielzeug-Baracken. Ohne Ordnung oder Gleichheit hingebaut. Schwarze Fenster, die in eine tiefe Leere blicken lassen.

Hier am Flughafen sieht es aber wieder ganz ähnlich aus wie an einem europäischen. Nur, dass der Boden aus Teppich besteht. Die Shops sprechen wiederum ganz klar eine chinesische Sprache. Zumindest so, wie sie in meinem vorurteilsbelasteten Kopf vorhanden ist: Kitschige glitzernde 30 cm große Plastikhühner neben Kalligraphien. Teeservice aus Porzellan neben Pandakostümen für Kinder.

Das Sicherheitspersonal, was bei uns zu Hause der Zoll ist, läuft hier in einer militärisch anmutenden Uniform herum. Vermutlich sind sie wirklich vom Militär.

Gerade ist ein Mann mit Schutzmaske aus dem Untergeschoss gekommen. Laut Beschilderung befindet sich dort unten der Smoking Room und die Toiletten.

Angekommen sind wir um 6:30 Uhr Ortszeit. Die Sonne war kurz davor, über den Horizont zu kriechen und ich hatte schon einen dummen Witz über das Land der aufgehenden Sonne auf den Lippen, den ich jetzt mit niemandem mehr teilen kann. Es ist komisch, allein zu sein. Vor allem, wenn man neue Erfahrungen macht.

Schließlich sind wir unter die Wolkendecke geflogen. Wobei, ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich Wolken sind. Das Ganze hängt so tief, dass es eher nach Neben aussieht. Aber vermutlich ist es einfach Smog, so schmutziggrau, wie es rüberkommt. (Er hat sich den ganzen Tag über gehalten.)

Mit gegenüber steht ein „Smart Massager“ und ich muss gleich wieder an Thailand-Klischees denken. Die Teile standen übrigens auch schon in Amsterdam zuhauf herum. Ich habe ausschließlich Asiaten darin gesehen.

Ich bin sehr müde. In Deutschland ist es gerade kurz nach Mitternacht. Die letzte Nacht zu Hause habe ich noch nicht mal vier Stunden geschlafen und gerade im Flugzeug auch nur ein paar. Dafür war der Flug wirklich besser als erwartet. Ich hatte genug Platz, saß am Fenster und konnte mir fast die ganze Zeit Filme heraussuchen. Beim letzten Langstreckenflug, den ich erlebt habe, gab es noch keine persönlichen Bildschirme.

Ich habe mir diesen Ort so dreckig vorgestellt! Ich habe gelesen, dass der Flughafen in Guangzhou nicht gerade angenehm sei. Vielleicht hatte ich deswegen ein so anderes Bild davon in meinem Kopf. Aber es könnte wirklich ein Abteil des Stuttgarter Flughafens sein, wenn man sich so umguckt.

Wirklich begeistert war ich vom Überland-Fliegen. Bisher habe ich Langstreckenflüge immer nur über den Ozean gemacht. Da gibt es lange nichts zu sehen. Aber schon die Gegend um Amsterdam sah wirklich schön aus und wirklich fasziniert war ich von Russland. Schnee und alles weiß. Das habe ich bisher auch noch nicht so gesehen. Schade, dass wir über Nacht geflogen sind, sonst hätte ich vermutlich die ganze Zeit aus dem Fenster schauen können.

So viele erste Male, die ich schon in so kurzer Zeit erlebt habe...

Chinesisch ist eine komische Sprache. Der political correctness wegen sollte ich vermutlich "ungewohnt" sagen. Unglaublich hart und hoch und gedrückt.

Hier am Flughafen wird übrigens - zumindest laut dem kurzen, leicht propagandistisch angehauchen Infofilm (in dem auch Animefiguren vorkamen), der am Ende des Fluges gezeigt wurde - bei jeder Person die Temperatur gemessen. Mit Wärmebildkameras vielleicht?

08:05 Ortszeit

Klasse, natürlich habe ich den Adapter nicht im Handgepäck, sondern im großen Backpack. Mein Laptop ist noch zu 28 % geladen. Logischerweise passt der Stecker meines Laptops aber nicht zu den chinesischen Steckdosen. Das Gate und die Shops bin ich jetzt auch schon abgelaufen. Was mache ich nur die nächsten zehn Stunden?

Deutschland hat es übrigens auch nach China geschafft, etwa alle 100 m hängt hier ein riesiges Plakat mit Ford-Werbung. Außerdem war gerade Angela Merkel im Fernsehen. Da es nur chinesische Untertitel gab, weiß ich nicht, worum es ging. Aber ich meine mich zu erinnern, dass sie gerade in Japan ist?

Hier gibt’s übrigens auch Free WiFi, aber leider nur für Leute mich chinesischer Handynummer. Die habe ich nicht.

09:13

Mittlerweile habe ich 10 Menschen mit Schutzmaske gezählt.

13:00 Ortszeit

Mir ist kalt. Mir ist wirklich wirklich kalt. Vielleicht kein Wunder, wenn man 12 Stunden an einem Flughafen festsitzt. Das mit dem Schlafen klappt leider auch nicht so gut. Die Sitze haben Armlehnen. Zum Sitzen super, aber Hinlegen ist nahezu unmöglich. Mittlerweile bin ich wirklich dankbar, dass ich mein Kissen mitgenommen habe.

19:40 Ortszeit

Das Boarding sollte um 19:00 starten. War wohl nichts. Bisher ist  vermutlich einfach alles zu glatt gegangen. Jetzt sollte der Flug starten. Mal gucken, wann es los geht. Ich übe mich bis dahin schon mal in Ruhe und Gelassenheit.

20:40 Ortszeit

Es geht los. Boarding war um 10 vor 8 und jetzt startet endlich der Flieger. Auf Wiedersehen, China, es war schön und anstrengend, kalt und interessant mit dir.

Thailand, ich komme.

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